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Vorn hochgeschlossen - hinten nackt! Schizophrenie der Datensicherheit

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Während immer restriktiver Gesetze zur Datensicherheit das Direktmarketing ruinieren, droht gleichzeitig die totale Überwachung.

Vorne hochgeschlossen und hinten nackt!
oder
Die Schizophrenie der Datensicherheit

Die Schizophrenie der Datensicherheit
Wir sind verrückt. Schizophren. Einfach nicht rational.
Anders lässt es sich nicht erklären, dass wir unsere Datensicherheit durchgängig mit zweierlei Maß messen. Ein und derselbe Mensch präsentiert via Facebook seinen lippenstiftverschmierten Bierbauch stolz am Strande von Malle einem weltweiten Millionenpublikum und regt sich gleichzeitig darüber auf, dass ihm ein Reiseveranstalter unaufgefordert einen Prospekt mit ausgewählten Urlaubsangeboten zu Schnäppchenpreisen mailt.
Dieses Verhalten betrifft jedoch nicht nur Privatpersonen. Tatsächlich scheint sogar die Gesetzgebung von dieser Schizophrenie betroffen zu sein. Schließlich werden auf der einen Seite Geschäftspraktiken erlaubt, welche ausschließlich dazu geeignet sind, Privatpersonen auszuspionieren und gleichzeitig wird das Direkt- und Telemarketing restriktiv unterbunden.

Die größten, legalen Spione im Netz

Windows 10 und Spotify
Aktuell bejubeln die Medien die Markteinführung das neue revolutionären Betriebssystems Windows 10 und wir können wahrscheinlich bereits die Stoppuhren stellen um zu messen, wie lange es dauert, bis dieses Betriebssystem flächendeckend die PCs dieser Welt beherrscht. Juristen diskutieren zwar noch theoretisch die Quasi-Monopolstellung von Microsoft, faktisch kommt aber kaum ein Anwender – ob privat oder gewerblich – über kurz oder lang an dem jeweils aktuellsten Betriebssystem von Microsoft vorbei. Diesmal regen wir uns aber gar nicht über die marktbeherrschende Stellung des Konzerns auf. Dies ist lange akzeptiert. Vielmehr sollte die „Lizenz zur Datenspionage“ jeden Anwender ängstigen.
Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz warnt bereits, dass Windows 10 den PC in eine private Abhöranlage verwandelt. Durch die Akzeptanz der Datenschutzbedingungen hat der Konzern das Recht, z.B. den jeweiligen Standort des Endgeräts, die aufgerufenen Webseiten, eingegebene Suchbegriffe und die Kontakte zu anderen Personen auszulesen und auszuwerten. Auch hat der Konzern das Recht, diese Daten für Forschungszwecke zu nutzen, sie zu veröffentlichen und sie mit anderen zu teilen. Dank der sogenannten „BIG Data“ – Analyse kennt Microsoft den User besser als er sich selbst. Die Datenschutzbedingungen bestehen aus circa 40.000 Wörtern auf 120 Seiten in trockenem Juristendeutsch. Es ist davon auszugehen, dass nur der geringste Teil der Anwender diese Schriften vor der Zustimmung studiert. In einschlägigen Blogs kursiert weiterhin das Gerücht, dass alles, was unter Windows 10 auf der Tastatur getippt wird, im 30 – Minuten – Takt an Microsoft gesandt wird. Das ist das Ende der Privatsphäre und es stellt sich die Frage nach dem grundsätzlichen Sinn von Passwörtern.
Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz weist zwar darauf hin, dass die Datenschutzeinstellungen in Windows 10 grundsätzlich anpassbar sind. Allerdings muss der Anwender dann auf einige Funktionen verzichten und es ist davon auszugehen, dass nur sehr versierte Anwender sich tatsächlich schützen können.
Was „Big Brother“ vormacht, wird schnell von den kleineren Spielkameraden adaptiert. Spotify, ein gerade bei Jugendlichen beliebter Musik-Streaming-Dienst, kündigte gerade an, kündigte im August an, seine Datenschutzrichtlinien zu ändern. Anwender sollen einwilligen, dass das Programm auf private Fotos, Adressbücher und den Standort zugreifen kann. Stimmen die Jugendlichen nicht zu, können Sie den Dienst nicht mehr nutzen. Kritik an dieser Praxis wurde scheinbar dadurch entkräftet, dass Spotify verdeutlichte, die Daten zu sammeln, um jedem Nutzer das individuell beste Musikerlebnis zu bieten und um künftig speziell abgestimmte Produkte zu entwickeln. Ein Schelm, wer daran denkt, dass Spotify die Daten auch direkt an die passenden Werbepartner weiter verkaufen könnte?
Lizenz zur Datenspionage

Der deutsche Staat

Doch nicht nur die privaten Unternehmen forschen die Bevölkerung aus. Auch der deutsche Staat nutzt die Möglichkeiten. Trat die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 1996 noch zurück, weil sie den sogenannten „großen Lauschangriff“ und die damit verbundene Verletzung der Privatsphäre nicht verantworten wollte, so wurde 2014 die Vorratsdatenspeicherung still und leise wieder eingeführt. Zwar wird die Vorratsdatenspeicherung nur in einem eingeschränkten Umfang betrieben, so dass keine Bewegungsdaten gespeichert werden, aber nichtsdestotrotz wird der freie Bürger in einen Generalverdacht einbezogen, da ohne dass ein Anfangsverdacht oder eine konkrete Gefahr besteht Telekommunikations- und Verbindungsdaten 7 Tage gespeichert werden können. Sinn und Zweck dieser Vorratsdatenspeicherung sei laut Gesetzgeber die verbesserte Möglichkeit der Verhütung und Verfolgung schwerer Straftaten.
Gerade der aktuelle Fall um die Internetblogger von Netzsicherheit.org, gegen welche in diesem Sommer Anklage wegen Landesverrat erhoben wurde, zeigt jedoch, dass bereits heute der Mensch für interessierte Behörden nahezu gläsern und nackt ist. Es sind nicht wenige Publikationen, welche bereits eine frühzeitige Überwachung der Blogger durch Verfassungsschutz und BKA vermuten. Tatsächlich darf das BKA bei dem Verdacht des Landesverrats observieren, doch wer entscheidet, ob ein Verdacht vorliegt? Wer kontrolliert die Kontrolleure? Dies gilt umso mehr, als dass dank der heutigen technischen Möglichkeiten, dank Clouds und Big Data Analyse die Überwachung so einfach ist.

Die sinnlosen Beschränkungen des Telemarketing

Solange Bürger ungestraft und in großem Stile ausspioniert wird und hier faktischer Schutz – gewollt oder vorsätzlich - nicht gewährt wird; solange Bürgerrechte zur Wahrung der Privatsphäre de facto ausgehöhlt werden, solange wirkt die aktuelle Gesetzgebung zum Direktmarketing heuchlerisch.
Das Telemarketing ist in Deutschland faktisch nahezu vollständig untersagt und auch dies dient – laut dem Gesetzgeber – nur dem Schutz der Bürger. So soll der arme Endverbraucher vor den bösen Werbetreibenden beschützt werden, welche ungefragt E-Mails schicken oder anrufen, und die Privatperson, welche sich ja nicht wehren kann, belästigen.
Das ist Blödsinn und nicht nur eine Entmündigung der Verbraucher, sondern auch eine Blockade der Werbetreibenden, welche nicht gerade mit Microsoft oder Spotify zusammen arbeiten.
Nicht zu letzt dank der technischen Entwicklungen kann heutzutage jeder Verbraucher selbst entscheiden, welche E-mails gelesen werden und welche elektronische Post direkt im Spam, also im Papierkorb landet. Ähnlich verhält es sich mit Anrufern. Die „Generation Smartphone“ ist durchaus in der Lage, selbst zu entscheiden, welche Anrufer geblockt werden und welche nicht. Auch die Marketingtreibenden selbst haben kein Interesse daran, einfach nur zu belästigen und zu nerven. Sie wollen gezielt potentielle Zielkunden anzurufen, welche tatsächlich ein Interesse an ihrem Angebot haben. Schließlich wollen auch die Marketingtreibenden weder Zeit noch Geld verschwenden. Das einzige Ziel ist es, Angebot und Nachfrage – Produkt und Kunde zusammen zu führen. Hier greift jedoch der sogenannte Verbraucherschutz und agiert als Kommunikationsverhinderer, als Geschäftsblockierer und Chancentod. Unseriöse Unternehmen werden immer Wege finden, die Gesetzte zu umgehen. Die Anrufe werden unter vorgetäuschten und wechselnden Rufnummern über die südlichen Antillen geleitet, so dass niemand mehr den Ursprung des unseriösen Angebots findet.
Anstelle eines faktisch generellen Verbots des Direktmarketing wäre es besser, wenn sich die Politik mit den Werbetreibenden an einen Tisch setzt und Spielregeln ausarbeitet, welche ein Arbeiten in Deutschland noch möglich machen. Noch besser allerdings wäre es, wenn auch tatsächliche Spielregeln zum Schutz der Privatsphäre der Verbraucher im Netz ausgearbeitet würden. Damit die kleinen Werbetreibenden werben dürfen, aber die großen Datensammler auch Grenzen aufgezeigt bekommen und damit der private Verbrauche seine Angebote finden kann, aber nicht von Monopolisten bevormundet wird. Wir suchen eine in sich logische, gerechte Lösung, denn heute ist der Nutzer vorn in der Zwangsjacke und hinten nackt.

Dipl.-Kff. Marion Frettlöh

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